Der Preis nimmt zu, aber nicht die Qualität. Das trifft nicht nur auf den Stammimbiss um die Ecke zu, sondern auch auf den Öffentlichen Nahverkehr – belegt jedenfalls der Mobilitätsbarometer des Meinungsforschungsinstituts Kantar. Die Umfrage im Auftrag von Allianz pro Schiene, BUND und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat spiegelt die gesellschaftliche Unzufriedenheit gegenüber dem ÖPNV wider. Eine Bestandsaufnahme.
Regionale Unterschiede
Die Befragung stellt nach Eigenaussage „das persönliche Empfinden in den Mittelpunkt“ – und das könnte deutlich besser sein. In Zahlen: Von den mehr als 2.000 Teilnehmern äußern sich 33 Prozent kritisch zur ÖPNV-Anbindung am eigenen Wohnort. Hierbei ist vor allem das Stadt-Land-Gefälle augenscheinlich: Während sich Fahrgäste in der Hauptstadt Berlin mit 93 Prozent noch abgeholt fühlen, wartet nahezu jeder Zweite (55 Prozent) im benachbarten Brandenburg vergebens auf Bus und Bahn. Den Negativrekord hält jedoch Niedersachsen mit einer Zufriedenheitsquote von lediglich 52 Prozent.
Woran hat’s gelegen?
Laut der Umfrage empfindet ein Groß der Befragten nicht etwa die Entfernung zur nächsten Haltestelle als Hauptproblem (11 Prozent), sondern vielmehr die zu seltenen Abfahrten (34 Prozent). Manche sehen hierbei eine positive Tendenz (17 Prozent), andere einen Abwärtstrend (15 Prozent); die überwiegende Mehrheit nimmt allerdings keine augenscheinliche Veränderung wahr (68 Prozent). Während im Saarland nur etwa vier Prozent der Befragten eine dahingehende Verbesserung konstatieren, sticht Brandenburg diesmal mit einem Höchstwert von 29 Prozent hervor.
Endstation Kundenbedarf
Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, findet klare Worte für die Kluft zwischen Kundenwunsch und Wirklichkeit: „Mehr als 80 Prozent der Menschen beklagen entweder Stillstand oder sogar eine Verschlechterung des ÖPNV-Angebots am eigenen Wohnort. Die Antwort darauf kann unmöglich sein, das Deutschlandticket ständig infrage zu stellen.“ Stattdessen müsse die Politik das Deutschlandticket für die Zukunft sichern und das ÖPNV-Angebot vielerorts langfristig verbessern – nur so könnten alle Fahrgäste endlich zum Zug kommen.
Schritt nach hinten im Rad- und Fußverkehr
Die Umfrage beschränkt sich nicht nur auf den ÖPNV, sondern umfasst auch den Rad- und Fußverkehr hierzulande – vor allem in punkto Sicherheit. Das Resultat ist ähnlich negativ: Nur 48 Prozent aller Radfahrer und 62 Prozent aller Fußgänger nehmen eine grundlegende Veränderung wahr. Dennoch überwiegt jeweils das Unsicherheitsgefühl im Vergleich zum Sicherheitsempfinden.
Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, hat Verständnis für das Unverständnis: „85 Prozent der Menschen empfinden, dass sich ihre Sicherheit als Fußgängerin oder Fußgänger in den vergangenen fünf Jahren nicht verbessert hat. Die Vision Zero bedeutet, für alle Arten der Verkehrsteilnahme sichere Verkehrswege bereitzustellen. Wenn das in den Augen der Bevölkerung nicht gelingt, ist das ein Alarmsignal.“ Dennoch lobt er im Umkehrschluss die zunehmende Verkehrssicherheit des Personennahverkehrs.
Spurwechsel in der Verkehrspolitik gefordert
Die Verbände Allianz pro Schiene, BUND und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat fordern eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik. In den Worten von Tina Löffelsend, Abteilungsleiterin Klimaschutz des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland: „Im Wahlkampf und Koalitionsvertrag wird vermutlich wieder viel vom Auto die Rede sein. Dabei zeigt unsere Befragung: Die Menschen wollen mehr Öffentlichen Personennahverkehr, sie wollen sichere Radwege, und sie wollen bedenkenlos zu Fuß unterwegs sein.“ Zudem zeige die Befragung starke regionale Unterschiede auf, die es anzupassen gilt. Schließlich könnten nur dann alle vom ÖPNV profitieren, wenn die Infrastruktur für den Umweltverbund bedürfnisgerecht ausgebaut wird.